Seit 1724 überquert an der heutigen Warschauer Straße eine Brücke die Spree. Die damals hölzerne Zugbrücke diente als Zollstelle Berlins zum
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Oberbaumbrücke |
Umland, die bei einbrechender Dunkelheit durch einen Holzstamm, dem sogenannten Oberbaum, versperrt wurde. Man verhinderte damit das unbefugte Passieren der Zollgrenze
auf der Spree. Von 1894 bis 1896 ersetzte man anläßlich der Berliner Gewerbeausstellung die Holzbrücke nach Plänen von Otto Stahn durch einen
prächtigen Backsteinbau. Zwei, dem Mitteltorturm der Stadt Prenzlau nachgebildete Brückentürme im märkisch gotischen Stil flankieren seitdem die
mittlere Spreedurchfahrt. Sechs Jahre später überquerte die erste U-Bahnlinie Berlins auf dem von Arkaden verdeckten eisernen Viadukt diese Brücke. Mit
ihren Zinnenverzierungen erinnern die Arkaden an einen mittelalterlichen Kreuzgang, an den sich auf Friedrichshainer Seite bis zum März 1945 direkt der U-Bahnhof
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Mauergalerie mit Disko |
Stralauer Tor anschloß. Wegen starker Kriegszerstörungen mußte der Bahnhof jedoch aufgehoben werden, und die aufgegebenen Reste wurden nach dem Krieg
abgerissen. Aber auch die Oberbaumbrücke wurde während des Zweiten Weltkrieges beschädigt, jedoch nicht zerstört, so daß sie bis 1961 ihre
verbindende Funktion für die beiden Spreeufer erfüllen konnte. Ab dem 13. August 1961 wurde die Brücke wieder zur Grenzstation, diesmal als Staatsgrenze
der DDR. Jetzt trennte die Spree den Ost- vom Westteil der Stadt, verstärkt von einer grauen Mauer auf der Friedrichshainer Seite. Die Oberbaumbrücke mit
Ihren übriggebliebenen Stümpfen der beiden Brückentürme verödete zunehmend. Seit 1972 konnten lediglich Westberliner die Brücke zu Fuß
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East Side Gallery |
als Grenzübergang nutzen. Diese Situation änderte sich erst im November 1989, als die Mauer geöffnet und die Brücke von allen Berlinern wieder
genutzt werden durfte. Ab November 1994 konnten auch Autos diese Spreeüberquerung wieder nutzen. Die U-Bahn fährt seit Mitte Oktober 1995 wieder über das
Bauwerk. Die Mauer, die von der Oberbaumbrücke bis zum Ostbahnhof 1,3 Kilometer entlang der Spree verläuft, wurde 1990 von 21 Künstlern aus Ost und West
auf der östlichen Seite bemalt. Durch ihre rund 100 Kunstwerke belebten die Künstler das graue Mauerstück, und gaben ihm den Namen
«East Side Gallery».
Trotz Denkmalschutz ist die Zukunft der Mauergalerie ungewiß, da die Eigentumsverhältnisse ungeklärt sind und Geld für eine vollständige
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Turm der Oberbaum-City |
Instandsetzung fehlt. Die Witterung, Autoabgase, aber auch mutwillige Zerstörungen machen den Farben und dem Stahlbeton schwer zu schaffen. So war ein Abriß
bereits im Gespräch. Die Mauerkünstler haben deshalb 1996 einen Verein gegründet, der den Erhalt der längsten Freiluft-Galerie der Welt
sicherstellen soll. Politiker bekundeten bereits des öfteren ihre Unterstützung, jedoch die Taten fehlen bisher. Nur ein 300 Meter langes Teilstück der
Gallery konnte auf Initiative der Mauerkünstler 10 Jahre nach ihrer Entstehung finanziert durch Sponsoren saniert und erneut bemalt werden. An der Straulauer
Allee wurde sehr viel investiert, denn dort ist durch aufwendige Sanierung aus der ehemaligen Lampen-Stadt ein modernes Dienstleistungs-, Wohn- und Gewerbegebiet geworden.
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Oberbaum-City |
Ab 1906 errichtete man dort bereits umfangreiche Anlagen zur Herstellung von Glühlampen. Das Glühlampenwerk Narva, das noch bis 1969 Osram hieß, war nach
Wende und Mauerfall nicht mehr konkurrenzfähig. So entstand seit 1993 auf der brachliegenden Industriefläche die
Oberbaum-City.
Am Spreeufer sind ebenfalls
Büroräume entstanden. Im ehemaligen Kühlhaus neben dem neoklassizistischen Getreidespeicher hat
Universal Music
seinen neuen Hauptsitz bezogen. Auf dem
Gelände des Osthafens gleich nebenan hat sich der Musiksender MTV niedergelassen. An der East Side Gallery soll zukünftig eine Parkanlage das Spreeufer
schmücken, und auf dem Bahngelände an der Mühlenstraße plant man eine große Mehrzweckhalle. Außerdem sollen dort und auf den benachbarten
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Speicher und ehem. Kühlhaus |
Postgelände neue Büro-, Wohn- und Geschäftshäuser gebaut werden. Clubs mußten das Gebiet räumen, und zogen wie das
Maria
ein Stück
weiter an die Schillingbrücke am Ostbahnhof. Auch das
Ostgut
hat unweit in einem alten Heizkraftwerk am ehemaligen Wriezener Bahnhof ein neues Domizil erhalten. Das
Matrix
konnte unter dem U-Bahnhof Warschauer Straße bleiben. Direkt an der Oberbaumbrücke liegt die Diskothek Speicher. Trotz der Veränderungen zieht es noch
immer viele Nachtschwärmer überwiegend an den Wochenenden in das ehemalige Niemandsland. Deshalb ist diese Gegend nachts oft lebendiger als tagsüber,
wenn die Busse mit Touristen aus aller Welt an der geschichtsträchtigen Berliner Mauer vorüberziehen.
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